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"...unsere Kooperation als eine Art Symbol"

Die 18. Internationale Buchmesse Algiers empfing dieses Jahr den österreichischen Historiker Herr Professor Fritz Keller, der sein letztes Buch « solidarité en Action » zusammen mit dem Schriftsteller und Wirtschaftsexperte Herr Kader Benamara im Palais des Expositions in El Mohammadia und in der Universität Algier 2 präsentiert hatte.

Professor Keller warum genau diese Wahl , ein Teil der Geschichte des Algerienkriegs als Studiumsthema zu nehmen ?

Es war ein Versuch, ein Thema wieder aktuell zu machen, dass im heutigen Europa auch politische Fragen aufwirft : Zur Zeit des Unabhängigkeitskrieges war die Unterstützung Algeriens für Menschen verschiedenster Ideologien und Religionen kein Problem . Unterschiedliche Nationalitäten spielten überhaupt keine Rolle: Kein Mensch fragte in der Solidaritätsbewegung bis du ein Däne, oder bist ein protestantischer Deutscher, oder bist ein atheistischer Italiener …Wichtig war nur das gemeinsame Ziel. Ein grausames Kolonial-Regime sollte beseitigt werden. Heute scheint dieser die gesamte Menschheit umfassende Internationalismus verschwunden zu sein. Die Entwicklung ist vielmehr gegenläufig. Jeden beharrt auf seinem Nationalstaat und seiner allein seligmachenden Religion. Europa insgesamt baut sich gegen die Zuwanderung zur Festung aus.

Wie ist die Idee der Kooperation und Zusammenarbeit mit Herrn Benamara entstanden ?

Er hat ein literarisches Buch herausgegeben, dass hier nicht präsentiert wurde. Es behandelt seine Kindheit und Jugend in der Kasbah (Éclats de soleil et d’amertume, Editions Barkat, Algier 2013). Ich war durch die Beschäftigung mit der „Schlacht um Algier“ 1958 indirekt auch mit diesem Thema befaßt (für mein Buch „Gelebter Widerstand – Österreichs Linke und der algerische Widerstand 1958-1963“, Promedia Verlag Wien 2010). So entstand eine Art von Freundschaft, die auch eine Arbeitsgemeinschaft ist. Wir betrachten unsere Kooperation außerdem als eine Art Symbol für eine auch heute noch mögliche intellektuelle Zusammenarbeit im Geiste des Internationalismus. Darauf sind wir stolz . Deshalb geht die Kooperation weiter. Wir haben noch weitere Pläne. Ich habe auch noch die Idee eine Si Mustapha Biographie zu schreiben aber das Thema ist schwierig. .. .Si Mustapha hat selbst gesagt, dass er ein professioneller Lügner ist und er hat nachweislich auch gelogen. Er sagte zum Beispiel, er sei in einem bestimmten Konzentrationslager gewesen. Historiker in Wien haben das nachgecheckt., Da war kein Winfried Müller in dem Konzentrationslager. Daraufhin hat er einfach gesagt « wenn ich nicht in dem Konzentrationslager war, dann war ich in dem anderen ! » und das war aber auch nicht. Es gibt ein Film über ihn, wo es Passage gibt, wo Winfried Müller sagt "Ich mach mich eigentlich einen Spaß daraus Historiker und Journalisten zu bescheißen“.

Professor Fritz Keller und Herr Kader Benamara. Die Autoren signieren ihr gemeinsames Buch für uns.

Nach Ihrer Meinung welche österreichische Namen in der Solidarität und Unterstützung der algerischen Volks sind unbedingt im Gedächtnis zu behalten ?

Ich glaube schon, dass Si Mustapha eine Galionsfigur in dem algerischen Widerstand ist , und deshalb wichtig ist, weil er tatsächlich mit dem Rücktransport von 3000 Legionäre persönlich geleistet hat und auch ständig unter Lebensgefahr war. Die Franzosen wollten ihn drei Mal in die Luft sprengen. Und das war ein Job, der natürlich in der traumatisiert. Kein Mensch hält das aus. Ich denke, es ist wirklich wichtig zu erkennen, dass Helden auch Schattenseiten haben , dass Menschen widersprüchlich sind. Ich bin zum Beispiel überzeugt, Si Mustapha hat auch Legionäre, die er verdächtigte von den Franzosen geschickt worden zu sein, um den Rückführungsdienst auszuspionieren, exekutierte. Auch Reimar Holzinger – ein Deserteur aus Hitlers Wehrmacht - sollte nicht vergessen werden. Er hat für Algerien enorm viel geleistet – vor dem Sieg des FLN bei der Organisation des Unterstützer-Netzwerkes, nach dem Sieg des FLN beim Wiederaufbau des algerischen Eisenbahnwesens. Dann gibt noch einen Menschen, der einen Kofferträger ist aber bis heute nicht gerne über seine Aufträge redet .Er heißt Klaus Sperlich , er kommt in dem Buch vor. Nicht vergessen sollte auch der Arzt Heinrich Schüller werden, der von Wien nach Tunesien übersiedelte, wo der FLN Spitäler für algerische Flüchtlinge Spitäler unterhielt. Von seinen Patienten lagen ihm besonders die Kinder am Herzen. Er ging eine Beziehung mit einer Tunesierin ein. Durch Unachtsamkeit infizierte er sich selbst mit der Amöbenruhr. Nach dem Sieg des FLN verstarb er in Tunesien und erhielt dort ein Staatsbegräbnis.

Gibt es irgendetwas, das Sie im Buch erwähnen wollten , das Sie jedoch nicht konnten ?

Nein, eigentlich nichts , aber es lag doch daran, dass ich dem Buch selbst finanziert habe ! (Er lacht) Ich habe Veranstaltungen gemacht und habe das Buch verkauft und der Großteil des Geldes kam wieder rein. Es war eine Vorfinanzierung.

Wie ist eigentlich die Kooperation zwischen euch bei dem gemeinsamen Buch „Solidarité en action – Soutien européen à la résistance algérienne 1954-1963“, das 2013 bei der Internationalen Buchmesse in Algier präsentiert wurde, gelaufen?

Kader hat die Hauptlast der notwendigen Arbeit geleistet. Er hat den Verlag Editions Barkat aufgetrieben, er hat seine eigenen Texte verfasst und zugleich als Dolmetsch meine Beiträge und historische Dokumente übersetzt. Er ist ja viel eloquenter als ich. Er spricht Berberisch, Französisch, Englisch und Deutsch (obwohl er das immer abstreitet, weil seine Kenntnisse seinen persönlichen Anforderungen nicht entsprechen)..

Gibt es Projekte Ihr Buch "Gelebter Internationalismus" ins Französisch oder Arabisch zu übersetzen ?

Ja. Aber das macht Probleme, weil es eigentlich ein sehr österreichisches Buch ist . Kader und ich überlegen, ob es nicht mehr Sinn macht, unser gemeinsames Buch „Solidarité en action“ ins Arabische zu übersetzen.

Bio +

Professor Fritz Keller ist 1950 in Wien geboren, er ist ein österreichischer Historiker und Publizist. Er ist Autor zahlreicher Publikationen über die Geschichte der Syndikalismus und der Bewegung der Jungen Sozialisten. 2010 wurde er mit einer Dissertation über „Solidarität der österreichischen Linken mit der algerischen Widerstandsbewegung“ zum Doktor der Philosophie promoviert. Er hat viele Auszeichnungen gehabt : 1972 Mary und Joseph Buttinger Preis , 1994 Theodor Körner Preis.

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